Stadtentwicklung in Köln. Scheitern als Kunstform

© Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Stadtentwicklung in Köln bedeutet, ein ums andere Mal nicht fassen zu können, wie Politik und Verwaltung die Stadt gegen die Wand fahren und gleichzeitig nicht mehr im Geringsten überrascht zu sein. Seit Jahrzehnten gehören Pleiten und Pannen ebenso fest zur Domstadt wie der Dom selbst. Köln wäre nicht Köln ohne die ständige Präsenz politischen Versagens beziehungsweise einer Politik, die – unabhängig davon, wer gerade regiert – Scheitern zur Kunstform erkoren zu haben scheint. Wie sich dieses Scheitern äußert und welche Folgen es nach sich zieht, ist gut dokumentiert. Medial, aber auch im Stadtbild, das man sich auch mit einem Kranz Kölsch nicht wirklich schön trinken kann. Es werde immer schwieriger, BesucherInnen einen angenehmen Aufenthalt zu bereiten, erklärten StadtführerInnen erst kürzlich in einem Brandbrief an die Stadt. Manche von ihnen fürchten gar, dass Reiseunternehmen die Stadt aus ihren Programmen streichen könnten.

Besonders schwer hat es die Kulturlandschaft erwischt, denn bei praktisch jedem großen Projekt gibt es massive Probleme. Das renommierte Wallraff-Richartz-Museum wartet seit inzwischen mehr als zwanzig Jahren auf einen versprochenen Erweiterungsbau auf einem benachbarten Baugrundstück, das vor fast ebenso vielen Jahren für das Projekt geräumt wurde und nun brach liegt. Das seit 2017 im Bau befindliche Jüdische Museum, das auf die – wie könnte es anders sein – gescheiterte Bewerbung Kölns für die Kulturhauptstadt Europas 2010 zurückgeht und auf einem unterirdischen Parcours über 2000 Jahren Stadtgeschichte erlebbar machen soll, wird und wird nicht fertig. Andere Kultureinrichtungen laufen seit langem auf provisorischer Basis oder sind ganz geschlossen. Die Umsetzung des Großprojekts “Historische Mitte” in Nachbarschaft des Doms, das unter anderem als neuer Standort des Stadtmuseums dienen soll, ist nach wie vor ungewiss. Und als ob die Kulturszene nicht schon genug Herausforderungen hätte, ereignete sich im September ein Einbruch im Museum für Ostasiatische Kunst, der durch seit Jahrzehnten bekannte Probleme mit der Bausubstanz und Technik des Hauses begünstigt worden zu sein scheint.

Doch auch in vielen anderen Bereichen ist die Bilanz dunkelgrau: Viel Schatten und wenig Licht. Das Erscheinungsbild vieler Straßen und Plätze etwa bleibt trotz jahrzehntelanger Diskussionen ein Ärgernis und viele der bisherigen Versuche, daran etwas zu ändern, sind es auch. Gut gemeint und gut gemacht sind bekanntlich zweierlei. Wenn man das nicht ohnehin schon wusste, dann spätestens beim trostlosen Anblick des französischen Schriftstellers Honoré de Balzac, der seit letztem Jahr in Form einer vier Meter hohen Statue des Künstlers Auguste Rodin den verkehrsumtosten Neumarkt “kulturell aufwerten” soll. Seitdem steht die Bronzeskulptur wie bestellt und nicht abgeholt am Rande des Platzes, eingezwängt zwischen Ampeln, Autos und einem U-Bahn-Eingang. Die seit langem ausstehende Generalüberholung des Neumarkts, einst integraler Bestandteil des 2008 von Albert Speer + Partner vorgelegten städtebaulichen Masterplans für die Innenstadt, lässt hingegen weiter auf sich warten.

Auch bei der bei der Bewältigung der großen städtischen Herausforderungen unserer Zeit wie Wohnraummangel, Klimakrise und sozialem Zusammenhalt hinkt Köln eher hinterher als - wie man es von einer Stadt vom Format Kölns eigentlich erwarten könnte - eine Vorreiterrolle einzunehmen. Erstaunlich ist dabei die Fähigkeit Kölns, jedem Schritt nach vorn zwei, drei, vier Schritte zurück folgen zu lassen. So etwa bei der Entwicklung des Kalker Osthofs auf der rechten Rheinseite. Während die Stadt in der Vergangenheit oft nicht gerade zimperlich mit ihrem industriellen Erbe umging und viele Industriedenkmäler Investoreninteressen preisgegeben wurden, wollte man es hier besser machen. Unter Beteiligung lokaler und zivilgesellschaftlicher AkteurInnen, plante man, das alte Industriegelände gemeinwohlorientiert umzugestalten und unter anderem Ateliers, soziale Einrichtungen und Gastronomie zu schaffen. Ob diese Pläne jedoch verwirklicht werden, ist nicht gesagt, denn Mitte August gab die Montag Stiftung Urbane Räume, die eine wichtige Rolle bei dem Vorhaben gespielt hatte, überraschend bekannt, sich zurückzuziehen. Ein Projekt dieser Dimension sei “nur in einer Partnerschaft mit maximaler Verlässlichkeit … und einem strikten Zeitmanagement möglich”, ließ die Stiftung verlauten, und dass man diese Voraussetzungen “auf Seiten der Stadt Köln” als nicht gegeben sähe. Eine Rückkehr in das Projekt schließe man aus.

Noch bemerkenswerter als das durch die unverblümten Aussagen der Stiftung offengelegte Zerwürfnis selbst, ist die Tatsache, dass es sich in eine endlose Reihe ähnlicher Debakel einreiht. Denn wenn Kölns Verantwortliche eines gut können, dann ist es, die ohnehin niedrigen Erwartungen, die man in sie setzt, immer wieder zu unterbieten. Bisweilen ist das unterhaltsam, denn Köln zeichnet nicht nur aus, Fehlschläge in Endlosschleife zu produzieren. Die Stadt neigt auch dazu, sich regelmäßig mit besonders grotesken Einlagen hervorzutun. Dass bei der Neugestaltung des Breslauer Platzes am Hauptbahnhof, an sich schon kein Meisterwerk, vor einigen Jahren erst kurz vor Fertigstellung auffiel, dass ein als zentrales Element des Platzes geplanter - und gleichfalls alles andere als beeindruckender - Fontänen-Brunnen beim Bau “vergessen” worden war, ist hierfür nur ein Beispiel von vielen.

In der Gesamtschau ist das, was sich in Köln abspielt, aber schon lange nicht mehr komisch. Betrachtet man, wie zuverlässig Probleme ignoriert und Chancen ungenutzt gelassen werden, wie regelmäßig angestoßene Projekte scheitern und engagierte AkteurInnen wie die Montag Stiftung verprellt werden; und wie in dieser eigentlich wirtschaftlich so gut aufgestellten Stadt selbst ehemals selbstverständliche Bestandteile kommunaler Infrastruktur inzwischen längst keine Selbstverständlichkeit mehr sind, man kommt nicht umhin, ihr ein verheerendes Zeugnis auszustellen. Wem das überzogen erscheint, dem sei empfohlen, sich auf das Abenteuer ÖPNV einzulassen. Die Pünktlichkeit der krisengebeutelten Kölner Verkehrsbetriebe sank 2022 auf ein Rekordtief und dass trotz eines vorsorglich ausgedünnten Fahrplans.

Als Kölns parteilose Oberbürgermeisterin Henriette Reker sich 2015 zum ersten Mal zur Wahl stellte, gewann sie mit dem Versprechen, kräftig aufzuräumen und die Verwaltung der viertgrößten Stadt Deutschlands auf Vordermann zu bringen. Gemessen an den Erwartungen, die sie geweckt hat, ist ihr das nicht gelungen. Reker selbst hat eingeräumt, dass sie ihr Ziel, zum Jahr 2022 die “modernste Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland” zu schaffen, nicht erreicht hat. Und dass durch das seit 2020 regierende Bündnis aus Grünen, CDU und der Kleinstpartei VOLT tatsächlich die in Aussicht gestellte “nachhaltige, zukunftsorientierte und verlässliche Stadtpolitik” im Stadtrat Einzug gehalten hat, glauben allenfalls Abgeordnete dieser Parteien selbst.

Stattdessen sind es noch immer vor allem Negativschlagzeilen mit denen die Stadt von sich reden macht und was alles noch viel schlimmer macht, ist, dass diese in Köln derart alltäglich sind, dass sie häufig allenfalls ein Schulterzucken provozieren. Hier ein Planungsfehler, einschließlich Kostenexplosion, dort eine weitere Bauverzögerung, eine Personalquerelle oder eine politische Hundertachtzig-Grad-Wende bis zurück auf Los – es ist, als hätten viele KölnerInnen aufgrund der schier endlosen Abfolge von Unzulänglichkeiten und Skandalen die Fähigkeit zur Empörung verloren. Der schmerzhafte Höhepunkt dieser Serie war zweifellos der tragische Einsturz des historischen Stadtarchivs im Februar 2009, der durch den Bau einer neuen U-Bahn-Strecke verursacht wurde und zwei Menschen das Leben kostete. Das ist nun fast fünfzehn Jahre her und noch immer klafft ein gewaltiges Loch an der Unglücksstelle am Kölner Waidmarkt. Von verschiedenen Initiativen entwickelte - und vom Stadtrat 2020 zur Realisierung empfohlene - Pläne, an ihrer Stelle einen unterirdischen Kultur- und Gedenkraum zu schaffen, wurden vor wenigen Monaten auf Betreiben der Stadtverwaltung verworfen.

Natürlich mag es für viele der Missgeschicke, Misserfolge und verpassten Chancen, mit denen Köln zu kämpfen hat, Erklärungen geben. Nicht zuletzt kommt oft, wie jeder weiß, das Pech hinzu, wenn die Dinge erst einmal im Argen liegen. Schwer zu begreifen ist hingegen das Ausmaß der (stadtentwicklungs-)politischen Misere Kölns, zu der nicht nur gehört, dass (viel zu) oft Dinge schief gehen, sondern auch, dass (viel zu) selten etwas rundum zu überzeugen vermag.

Was genau erklärt das regelmäßige Scheitern und Unter-Ihren-Möglichkeiten-Bleiben dieser in vielerlei Hinsicht - zum Beispiel was ihre wirtschaftliche Stärke und engagierte Zivilgesellschaft angeht - doch so privilegierten Stadt? Oder andersherum gefragt: Wie kommt es, dass andere Städte, oft unter viel schwierigeren Umständen, Herausforderungen und Chancen besser meistern und entweder kontinuierlich solidere Politik machen oder sich nach Krisenzeiten wie Phönix aus der Asche aufschwingen und durch ambitioniertes und kluges Handeln auf sich aufmerksam machen? Das ist die Eine-Millionen-Euro-Frage, und um die Dinge wirklich grundlegend zum Besseren zu verändern, bedarf es einer Antwort auf sie.

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