Johannes Novy Johannes Novy

Stadtplanung unter Beschuss: Studierende müssen auf Verschwörungspopulismus vorbereitet werden – aber wie?

Wieder so ein Facebook-Kommentar, der mich fassungslos macht. Post-Truth at its finest: Da werden Planer zu Marionetten einer globalen Elite erklärt, die Menschen in städtischen Käfigen einsperren und einen "Great Reset" herbeiführen will – je nach Lesart, um den Kommunismus einzuführen, Milliardäre noch reicher zu machen, oder beides. Solche Verschwörungstheorien sind mir nicht neu, aber ihre Allgegenwärtigkeit zieht mir regelmäßig die Schuhe aus. Noch vor ein paar Jahren habe ich derartige Kommentare kaum wahrgenommen; heute begegnen sie mir ständig..."

Der Anlass des Beitrags: ein Kommentar auf eine Werbeanzeige für den Masterstudiengang "Nachhaltige Stadtentwicklung" an der Hochschule Anhalt.

Sicher, diejenigen, die der bizarren Erzählung von "Freiluftgefängnissen" und Ähnlichem in toto anheimfallen, mögen eine kleine Minderheit sein, aber, wie auch bei anderen gesellschaftspolitischen Fragen, gilt: "irgendetwas bleibt immer hängen". Absurde Ideen finden in abgeschwächter Form Eingang in den Mainstream, der Diskurs verschiebt sich und macht so den ohnehin schwierigen Job, mit dem sich die Stadtplanung konfrontiert sieht, noch schwerer.

Was die Sache noch vertrackter macht: die Planung mag Zielscheibe sein, ist aber weder Ursprung des Problems, noch in der Lage, effektiv dagegen vorzugehen.

Mehr Zuhören und Beteiligung? I am in principle all for it und sicher wird nicht überall immer so gut "kommuniziert" oder "mitgenommen", wie man es sich wünschen würde. Doch die Erfahrung zeigt auch, dass selbst die besten Planungsprozesse nicht vor Angriffen schützen. Allein werden sie das Problem nicht lösen, zumal Verschwörungstheoretiker und Populisten Partizipation und Beteiligung zu nutzen wissen, um ihre Agenden zu pushen und Diskussionen zu torpedieren.

Mehr Zugeständnisse beim überfälligen Umbau unserer Städte eingehen? Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass das, was heute umgesetzt wird, ohnehin häufig schwer erkämpfte und (vor dem Hintergrund der Klimakrise) schmerzhafte Kompromisse sind: Für manche Gegner erscheinen bereits Fahrradwege bereits als Instrumente totalitärer Kontrolle – da ist wenig Spielraum für Kompromisse. Darüber hinaus handelt es sich bei Planungskonflikten nicht nur häufig um (Neben-)Schauplätze grundlegenderer Auseinandersetzungen. Sie werden vielmehr häufig auch – das ist keine Verschwörungstheorie – gezielt von politischen Akteuren und Lobbygruppen geschürt, wie zuletzt u.a. die zumindest in Teilen orchestrierten Proteste gegen low traffic neighbourhoods in England gezeigt habe; Akteuren und Lobbygruppen, mit denen man aus Prinzip und der politischen Hygiene wegen keine Kompromisse eingehen sollte (und die ihrerseits häufig kein Interesse an ihnen haben).

Zu guter Letzt: Klar, es gibt misslungene Projekte (Friedrichstraße, hallo?), die der Sache nicht geholfen haben. Aber Proteste suchen sich nicht nur handwerklich schlechte Projekte aus und als Erklärung reicht das nicht aus.

Also was tun? Die gute Nachricht ist, dass die Planungsliteratur der Frage vermehrt nachgeht, Decoding the 15-Minute City Debate: Conspiracies, Backlash, and Dissent in Planning for Proximity ist zum Beispiel durchaus lesenswert. Dennoch bleiben viele Fragen offen; Fragen, die mich auch deshalb umtreiben, weil ich junge Planer und Planerinnen unterrichte, die in ihrem beruflichem Alltag von Anfeindungen betroffen sind. Was ich weiß, ist, dass die Planungsausbildung (noch) mehr tun muss, um sie darauf vorzubereiten, sich in einem zunehmend schwierigeren Umfeld zu behaupten.

 Nächste Woche beginnt das neue Semester – wish me luck!

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Höhenflug statt Krisenblues. Wie Londons “Square Mile” für die Zukunft plant

Krise! Welche Krise? Während wirtschaftliche und politische Turbulenzen die Schlagzeilen bestimmen und sich Großbritannien mit einem veritablen Clusterfuck nicht zuletzt hausgemachter Probleme konfrontiert sieht, könnte man beim Blick auf die Skyline der Londoner City meinen, man befände sich in einer völlig anderen Realität.

Krise! Welche Krise? Während wirtschaftliche und politische Turbulenzen die Schlagzeilen bestimmen und sich Großbritannien mit einem veritablen Clusterfuck nicht zuletzt hausgemachter Probleme konfrontiert sieht, könnte man beim Blick auf die Skyline der Londoner City meinen, man befände sich in einer völlig anderen Realität. In Londons traditionellem Finanzzentrum, der "Square Mile", wird gebaut, was das Zeug hält. Natürlich entwickeln sich Bautätigkeit und Wirtschaftsdynamik nicht immer synchron, vor allem nicht in einer Zeit wie der unseren, in der Immobilien- und Finanzkapitalismus mehr und mehr ihren eigenen Gesetzen zu folgen scheinen. Und doch ist das Bauvolumen erstaunlich und nicht minder erstaunlich ist die beträchtliche Zahl bereits genehmigter oder in Planung befindlicher Projekte.

Londons wohl berühmtester Wolkenkratzer, Norman Fosters 180 Meter hoher Büroturm The Gherkin (zu deutsch: die Gurke), der nach seiner Fertigstellung im Jahr 2003 lange Zeit die Silhouette der City dominierte, ist heute kaum noch auszumachen. Er ist von einer Reihe oft deutlich höherer Wolkenkratzer umzingelt und wird von ihnen in den Schatten gestellt. Eines davon ist das kürzlich fertiggestellte 22 Bishopsgate. Mit 278 Metern ist der von PLP Architecture entworfene Koloss aus Beton, Stahl und Glas derzeit der höchste Büroturm in der Square Mile, wird diesen Titel aber bald an das um die Ecke geplante 1 Undershaft verlieren, das mit 310 Metern auch das bisher höchste Gebäude Londons, The Shard, überragen wird, das sich außerhalb der City befindet. Aktuellen Zahlen zufolge werden derzeit so viele neue Büroflächen gebaut wie lange nicht. Bis Ende 2024 sollen 500.000 Quadratmeter hinzukommen - das entspricht rund 70 Fußballfeldern - und besonders in der Square Mile ist die Nachfrage enorm. Die City of London Corporation, die seit dem Mittelalter als Kommunalbehörde für Londons flächen- und bevölkerungsmäßig kleinsten Stadtbezirk fungiert, ließ kürzlich verlauten, dass sich die Zahl der Bauanträge auf einem Rekordniveau befände. Mehr als 500.000 Quadratmeter zusätzliche Bürofläche seien genehmigt oder kurz vor der Genehmigung und ebenso viel bereits im Bau.

Zurückzuführen ist diese Nachfrage zumindest zum Teil auf die wachsenden Beschäftigungszahlen in der City. Seit 2021 ist diese um 29.000 auf insgesamt 617.000 gestiegen und Schätzungen gehen von einem weiteren Anstieg um 85.000 bis 2040 aus. Standortentscheidungen und Immobilientransaktionen sind mehr als bloße Zahlenjonglage. Neben wirtschaftlichen Berechnungen spielen auch Emotionen und somit Psychologie eine große Rolle. In anderen globalen Finanz- und Dienstleistungszentren herrscht große Verunsicherung angesichts der aktuellen Wirtschaftslage wie auch der Frage, welche langfristigen Folgen der Trend zum Homeoffice und zum mobilen Arbeiten haben wird. Pessimistische Schlagzeilen überschlagen sich - die Financial Times sprach kürzlich zum Beispiel gar von einem "Blutbad" für den gewerblichen Immobilienmarkt in New York angesichts wachsender Leerstände, fallender Immobilienpreise und steigender Bau- und Zinskosten.

In der Londoner City bemüht man sich, eine solche Atmosphäre erst gar nicht entstehen zu lassen. Erst im November veröffentlichte die Kommunalbehörde eine Reihe neuer Hochglanz-Renderings, die eine um elf zusätzliche Hochhäuser ergänzte Skyline im Jahr 2030 zeigen. Die Botschaft: in London herrscht Aufbruchs-, nicht Untergangsstimmung. Die tatsächliche Situation ist freilich komplizierter, als dass sowohl die multiplen Krisen der Gegenwart als auch die Umbrüche in der Arbeitswelt keinesfalls spurlos an der City vorbeigehen. Auch in London stehen viele Büros an vielen Tagen leer oder sind nicht ausgelastet, weil Remote- und Hybrid-Arbeitsmodelle sich etabliert haben. Der Anteil unvermieteter Büroflächen im Innenstadtbereich kratzt an der Zehn-Prozent-Marke, was zwar weniger ist als in New York, aber immer noch besorgniserregend, und der aktuelle Bauboom ist auch darauf zurückzuführen, dass viele bestehende Büros heutigen Ansprüchen und Anforderungen nicht mehr genügen.

Wie die Skyline der Square Mile im Jahr 2030 aussehen soll (© City of London Corporation)

Tatsächlich wecken die Bauaktivitäten der letzten Zeit und die mit ihnen einhergehenden städtebaulichen Veränderungen Assoziationen zu Joseph Schumpeters These der "schöpferischen" oder "kreativen Zerstörung" als wesentlichem Merkmal kapitalistischer Ökonomien. Altes wird beiseite geräumt, nicht nur um in die Höhe zu wachsen, sondern um andere, neuartige Büro- und Arbeitsumgebungen zu schaffen. Immobilienentwickler werben mit flexiblen Grundrissen, Hightech, nachhaltigem Design und einer Atmosphäre, die Mitarbeiter/innen wieder in ihre Büros lockt, um ihre Projekte gewinnbringend auf dem Markt zu platzieren. Und die City of London setzt auf eben diese neuen Büro- und Arbeitswelten, um sich als zentrales Geschäftsviertel zu behaupten. Gleichzeitig hat sich aber auch die Erkenntnis durchgesetzt, dass es mit neuen "Premium-Büroflächen" - wie es im Immobilien-Sprech heißt – allein nicht getan ist. Wohnungsbau, wie er im Finanzdistrikt von Lower Manhattan oder in La Defense in Paris betrieben wird, um ausgediente Büroflächen einer neuen Nutzung zuzuführen und Büromeilen neues Leben einzuhauchen, ist für die City of London Corporation nach wie vor allenfalls in Ausnahmefällen denkbar. Stattdessen setzt man auf Einzelhandel, Gastronomie, Hotels und Kultur und will die Stadt durch eine umfassende Neugestaltung des Stadtraums attraktiver machen und ihr Profil als "Destination" schärfen. "Placemaking" soll es also richten und die City in einen Ort verwandeln, der nicht mehr nur fast ausschließlich für (Big) Business steht.

Da die City of London Corporation nicht nur als älteste noch bestehende Kommunalverwaltung weltweit gilt, sondern auch eine der wohlhabendsten im Vereinigten Königreich ist, verfügt sie über die nötigen Mittel, um entsprechend zu investieren. Straßen werden zurückgebaut, neue Grün- und Aufenthaltsflächen geschaffen und auch Immobilienentwickler und Unternehmen werden in die Pflicht genommen. Bauen? Ja gerne, aber nur gegen Gegenleistung. Die City gilt gemeinhin als ausgesprochen "investorenfreundlich" – und trägt dieses Etikett mit Stolz. Gleichzeitig scheut sie aber auch nicht davor zurück, Großprojekte an Bedingungen zu knüpfen, also zum Beispiel Hochhausentwickler zu verpflichten, öffentlich zugängliche und in der Regel kostenlose Aussichtsplattformen vorzusehen, Erdgeschossflächen für gemeinnützige oder kulturelle Zwecke zur Verfügung zu stellen oder sich finanziell an der Umgestaltung öffentlicher Räume oder der Renovierung von Baudenkmälern zu beteiligen.

Diese Bemühungen werden wahrgenommen: Das Royal Town Planning Institute, der Berufsverband der britischen Stadtplaner/innen, kürte die City Corporation beispielsweise im November zur Planungsbehörde des Jahres 2023 und erklärte sie zum Vorbild für Städte weltweit. Doch es gibt auch kritische Stimmen. Der Versuch, der sterilen City, einer der Drehscheiben des globalen Turbokapitalismus, ein menschlicheres Gesicht zu geben, sei, um es mit einer in Großbritannien gängigen Redewendung auszudrücken, wie Lippenstift auf ein Schwein zu pinseln, meinen die einen: Schönfärberei. Andere, darunter die Denkmalschutzorganisation Heritage England, nehmen Anstoß am Bau neuer Wolkenkratzer, mit dem Argument, dass sie die historische Kulisse der St. Paul's Cathedral und anderer Wahrzeichen beeinträchtigen. Wiederum andere, die Hochhäuser nicht per se ablehnen, stören sich an deren architektonischer Qualität, oder besser gesagt am vermeintlichen Mangel derselben. Das Etikett "wonky would-be icons" (The Guardian) fasst die Skepsis dieser Kritiker treffend zusammen, obwohl es noch zu den harmloseren Umschreibungen zählt, und immer wieder wird beklagt, London sei im Begriff, zu "Dubai-on-Thames" zu mutieren und sein historisch gewachsenes Erscheinungsbild zu verlieren.

Und es gibt viele, die die Bauwut und den Höhenrausch der City mit Blick auf die Klimakrise kritisieren. Um bis 2040 klimaneutral zu werden, hat die City als erste Planungsbehörde Englands Anfang 2023 damit begonnen, Bauherren dazu anzuhalten, Klimaauswirkungen bereits in einem frühen Stadium ihrer Planung genau zu prüfen und den Abriss existierender Gebäude möglichst zu vermeiden. Eine im Dezember vorgestellte Nachhaltigkeitsrichtlinie geht noch einen Schritt weiter und enthält eine Vielzahl von Bestimmungen mit dem Ziel, einen Paradigmenwechsel bei der Nutzung der Ressource "Bestand" einzuleiten, das zirkuläre Bauen zur Norm zu machen und Bauherren zu bewegen, Klima- und Umweltauswirkungen über den gesamten Lebenszyklus ihrer Gebäude zu reduzieren. So weit, so gut. Allerdings ist der Punkt, an dem ehrgeizige Vorhaben typischerweise scheitern, bekanntlich die Umsetzungsphase, und ob Hochhäuser in der Höhe, die der City für ihre zukünftige Entwicklung vorschwebt, jemals wirklich "nachhaltig" sein können, ist bekanntlich gelinde gesagt umstritten. Hinzu kommt, dass die Richtlinie noch nicht in Kraft ist. Bis es so weit ist, wird noch viel Wasser die Themse hinunterfließen und voraussichtlich werden noch viele Grundsteinlegungen für mal mehr und mal weniger klimafitte Projekte stattfinden, bis sie zur Anwendung kommt. Es sei denn, ja, es sei denn, der Dauer-Krisen-Zustand, in dem sich das Vereinigte Königreich zu befinden scheint, holt die City doch noch ein, der Immobiliensektor stürzt ab und die besagten Grundsteinlegungen fallen ins Wasser.

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Stadtentwicklung in Köln. Scheitern als Kunstform

Stadtentwicklung in Köln bedeutet, ein ums andere Mal nicht fassen zu können, wie Politik und Verwaltung die Stadt gegen die Wand fahren und gleichzeitig nicht mehr im Geringsten überrascht zu sein. Seit Jahrzehnten gehören Pleiten und Pannen ebenso fest zur Domstadt wie der Dom selbst.

© Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Stadtentwicklung in Köln bedeutet, ein ums andere Mal nicht fassen zu können, wie Politik und Verwaltung die Stadt gegen die Wand fahren und gleichzeitig nicht mehr im Geringsten überrascht zu sein. Seit Jahrzehnten gehören Pleiten und Pannen ebenso fest zur Domstadt wie der Dom selbst. Köln wäre nicht Köln ohne die ständige Präsenz politischen Versagens beziehungsweise einer Politik, die – unabhängig davon, wer gerade regiert – Scheitern zur Kunstform erkoren zu haben scheint. Wie sich dieses Scheitern äußert und welche Folgen es nach sich zieht, ist gut dokumentiert. Medial, aber auch im Stadtbild, das man sich auch mit einem Kranz Kölsch nicht wirklich schön trinken kann. Es werde immer schwieriger, BesucherInnen einen angenehmen Aufenthalt zu bereiten, erklärten StadtführerInnen erst kürzlich in einem Brandbrief an die Stadt. Manche von ihnen fürchten gar, dass Reiseunternehmen die Stadt aus ihren Programmen streichen könnten.

Besonders schwer hat es die Kulturlandschaft erwischt, denn bei praktisch jedem großen Projekt gibt es massive Probleme. Das renommierte Wallraff-Richartz-Museum wartet seit inzwischen mehr als zwanzig Jahren auf einen versprochenen Erweiterungsbau auf einem benachbarten Baugrundstück, das vor fast ebenso vielen Jahren für das Projekt geräumt wurde und nun brach liegt. Das seit 2017 im Bau befindliche Jüdische Museum, das auf die – wie könnte es anders sein – gescheiterte Bewerbung Kölns für die Kulturhauptstadt Europas 2010 zurückgeht und auf einem unterirdischen Parcours über 2000 Jahren Stadtgeschichte erlebbar machen soll, wird und wird nicht fertig. Andere Kultureinrichtungen laufen seit langem auf provisorischer Basis oder sind ganz geschlossen. Die Umsetzung des Großprojekts “Historische Mitte” in Nachbarschaft des Doms, das unter anderem als neuer Standort des Stadtmuseums dienen soll, ist nach wie vor ungewiss. Und als ob die Kulturszene nicht schon genug Herausforderungen hätte, ereignete sich im September ein Einbruch im Museum für Ostasiatische Kunst, der durch seit Jahrzehnten bekannte Probleme mit der Bausubstanz und Technik des Hauses begünstigt worden zu sein scheint.

Doch auch in vielen anderen Bereichen ist die Bilanz dunkelgrau: Viel Schatten und wenig Licht. Das Erscheinungsbild vieler Straßen und Plätze etwa bleibt trotz jahrzehntelanger Diskussionen ein Ärgernis und viele der bisherigen Versuche, daran etwas zu ändern, sind es auch. Gut gemeint und gut gemacht sind bekanntlich zweierlei. Wenn man das nicht ohnehin schon wusste, dann spätestens beim trostlosen Anblick des französischen Schriftstellers Honoré de Balzac, der seit letztem Jahr in Form einer vier Meter hohen Statue des Künstlers Auguste Rodin den verkehrsumtosten Neumarkt “kulturell aufwerten” soll. Seitdem steht die Bronzeskulptur wie bestellt und nicht abgeholt am Rande des Platzes, eingezwängt zwischen Ampeln, Autos und einem U-Bahn-Eingang. Die seit langem ausstehende Generalüberholung des Neumarkts, einst integraler Bestandteil des 2008 von Albert Speer + Partner vorgelegten städtebaulichen Masterplans für die Innenstadt, lässt hingegen weiter auf sich warten.

Auch bei der bei der Bewältigung der großen städtischen Herausforderungen unserer Zeit wie Wohnraummangel, Klimakrise und sozialem Zusammenhalt hinkt Köln eher hinterher als - wie man es von einer Stadt vom Format Kölns eigentlich erwarten könnte - eine Vorreiterrolle einzunehmen. Erstaunlich ist dabei die Fähigkeit Kölns, jedem Schritt nach vorn zwei, drei, vier Schritte zurück folgen zu lassen. So etwa bei der Entwicklung des Kalker Osthofs auf der rechten Rheinseite. Während die Stadt in der Vergangenheit oft nicht gerade zimperlich mit ihrem industriellen Erbe umging und viele Industriedenkmäler Investoreninteressen preisgegeben wurden, wollte man es hier besser machen. Unter Beteiligung lokaler und zivilgesellschaftlicher AkteurInnen, plante man, das alte Industriegelände gemeinwohlorientiert umzugestalten und unter anderem Ateliers, soziale Einrichtungen und Gastronomie zu schaffen. Ob diese Pläne jedoch verwirklicht werden, ist nicht gesagt, denn Mitte August gab die Montag Stiftung Urbane Räume, die eine wichtige Rolle bei dem Vorhaben gespielt hatte, überraschend bekannt, sich zurückzuziehen. Ein Projekt dieser Dimension sei “nur in einer Partnerschaft mit maximaler Verlässlichkeit … und einem strikten Zeitmanagement möglich”, ließ die Stiftung verlauten, und dass man diese Voraussetzungen “auf Seiten der Stadt Köln” als nicht gegeben sähe. Eine Rückkehr in das Projekt schließe man aus.

Noch bemerkenswerter als das durch die unverblümten Aussagen der Stiftung offengelegte Zerwürfnis selbst, ist die Tatsache, dass es sich in eine endlose Reihe ähnlicher Debakel einreiht. Denn wenn Kölns Verantwortliche eines gut können, dann ist es, die ohnehin niedrigen Erwartungen, die man in sie setzt, immer wieder zu unterbieten. Bisweilen ist das unterhaltsam, denn Köln zeichnet nicht nur aus, Fehlschläge in Endlosschleife zu produzieren. Die Stadt neigt auch dazu, sich regelmäßig mit besonders grotesken Einlagen hervorzutun. Dass bei der Neugestaltung des Breslauer Platzes am Hauptbahnhof, an sich schon kein Meisterwerk, vor einigen Jahren erst kurz vor Fertigstellung auffiel, dass ein als zentrales Element des Platzes geplanter - und gleichfalls alles andere als beeindruckender - Fontänen-Brunnen beim Bau “vergessen” worden war, ist hierfür nur ein Beispiel von vielen.

In der Gesamtschau ist das, was sich in Köln abspielt, aber schon lange nicht mehr komisch. Betrachtet man, wie zuverlässig Probleme ignoriert und Chancen ungenutzt gelassen werden, wie regelmäßig angestoßene Projekte scheitern und engagierte AkteurInnen wie die Montag Stiftung verprellt werden; und wie in dieser eigentlich wirtschaftlich so gut aufgestellten Stadt selbst ehemals selbstverständliche Bestandteile kommunaler Infrastruktur inzwischen längst keine Selbstverständlichkeit mehr sind, man kommt nicht umhin, ihr ein verheerendes Zeugnis auszustellen. Wem das überzogen erscheint, dem sei empfohlen, sich auf das Abenteuer ÖPNV einzulassen. Die Pünktlichkeit der krisengebeutelten Kölner Verkehrsbetriebe sank 2022 auf ein Rekordtief und dass trotz eines vorsorglich ausgedünnten Fahrplans.

Als Kölns parteilose Oberbürgermeisterin Henriette Reker sich 2015 zum ersten Mal zur Wahl stellte, gewann sie mit dem Versprechen, kräftig aufzuräumen und die Verwaltung der viertgrößten Stadt Deutschlands auf Vordermann zu bringen. Gemessen an den Erwartungen, die sie geweckt hat, ist ihr das nicht gelungen. Reker selbst hat eingeräumt, dass sie ihr Ziel, zum Jahr 2022 die “modernste Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland” zu schaffen, nicht erreicht hat. Und dass durch das seit 2020 regierende Bündnis aus Grünen, CDU und der Kleinstpartei VOLT tatsächlich die in Aussicht gestellte “nachhaltige, zukunftsorientierte und verlässliche Stadtpolitik” im Stadtrat Einzug gehalten hat, glauben allenfalls Abgeordnete dieser Parteien selbst.

Stattdessen sind es noch immer vor allem Negativschlagzeilen mit denen die Stadt von sich reden macht und was alles noch viel schlimmer macht, ist, dass diese in Köln derart alltäglich sind, dass sie häufig allenfalls ein Schulterzucken provozieren. Hier ein Planungsfehler, einschließlich Kostenexplosion, dort eine weitere Bauverzögerung, eine Personalquerelle oder eine politische Hundertachtzig-Grad-Wende bis zurück auf Los – es ist, als hätten viele KölnerInnen aufgrund der schier endlosen Abfolge von Unzulänglichkeiten und Skandalen die Fähigkeit zur Empörung verloren. Der schmerzhafte Höhepunkt dieser Serie war zweifellos der tragische Einsturz des historischen Stadtarchivs im Februar 2009, der durch den Bau einer neuen U-Bahn-Strecke verursacht wurde und zwei Menschen das Leben kostete. Das ist nun fast fünfzehn Jahre her und noch immer klafft ein gewaltiges Loch an der Unglücksstelle am Kölner Waidmarkt. Von verschiedenen Initiativen entwickelte - und vom Stadtrat 2020 zur Realisierung empfohlene - Pläne, an ihrer Stelle einen unterirdischen Kultur- und Gedenkraum zu schaffen, wurden vor wenigen Monaten auf Betreiben der Stadtverwaltung verworfen.

Natürlich mag es für viele der Missgeschicke, Misserfolge und verpassten Chancen, mit denen Köln zu kämpfen hat, Erklärungen geben. Nicht zuletzt kommt oft, wie jeder weiß, das Pech hinzu, wenn die Dinge erst einmal im Argen liegen. Schwer zu begreifen ist hingegen das Ausmaß der (stadtentwicklungs-)politischen Misere Kölns, zu der nicht nur gehört, dass (viel zu) oft Dinge schief gehen, sondern auch, dass (viel zu) selten etwas rundum zu überzeugen vermag.

Was genau erklärt das regelmäßige Scheitern und Unter-Ihren-Möglichkeiten-Bleiben dieser in vielerlei Hinsicht - zum Beispiel was ihre wirtschaftliche Stärke und engagierte Zivilgesellschaft angeht - doch so privilegierten Stadt? Oder andersherum gefragt: Wie kommt es, dass andere Städte, oft unter viel schwierigeren Umständen, Herausforderungen und Chancen besser meistern und entweder kontinuierlich solidere Politik machen oder sich nach Krisenzeiten wie Phönix aus der Asche aufschwingen und durch ambitioniertes und kluges Handeln auf sich aufmerksam machen? Das ist die Eine-Millionen-Euro-Frage, und um die Dinge wirklich grundlegend zum Besseren zu verändern, bedarf es einer Antwort auf sie.

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