Stadtplanung unter Beschuss: Studierende müssen auf Verschwörungspopulismus vorbereitet werden – aber wie?

Wieder so ein Facebook-Kommentar, der mich fassungslos macht. Post-Truth at its finest: Da werden Planer zu Marionetten einer globalen Elite erklärt, die Menschen in städtischen Käfigen einsperren und einen "Great Reset" herbeiführen will – je nach Lesart, um den Kommunismus einzuführen, Milliardäre noch reicher zu machen, oder beides. Solche Verschwörungstheorien sind mir nicht neu, aber ihre Allgegenwärtigkeit zieht mir regelmäßig die Schuhe aus. Noch vor ein paar Jahren habe ich derartige Kommentare kaum wahrgenommen; heute begegnen sie mir ständig..."

Der Anlass des Beitrags: ein Kommentar auf eine Werbeanzeige für den Masterstudiengang "Nachhaltige Stadtentwicklung" an der Hochschule Anhalt.

Sicher, diejenigen, die der bizarren Erzählung von "Freiluftgefängnissen" und Ähnlichem in toto anheimfallen, mögen eine kleine Minderheit sein, aber, wie auch bei anderen gesellschaftspolitischen Fragen, gilt: "irgendetwas bleibt immer hängen". Absurde Ideen finden in abgeschwächter Form Eingang in den Mainstream, der Diskurs verschiebt sich und macht so den ohnehin schwierigen Job, mit dem sich die Stadtplanung konfrontiert sieht, noch schwerer.

Was die Sache noch vertrackter macht: die Planung mag Zielscheibe sein, ist aber weder Ursprung des Problems, noch in der Lage, effektiv dagegen vorzugehen.

Mehr Zuhören und Beteiligung? I am in principle all for it und sicher wird nicht überall immer so gut "kommuniziert" oder "mitgenommen", wie man es sich wünschen würde. Doch die Erfahrung zeigt auch, dass selbst die besten Planungsprozesse nicht vor Angriffen schützen. Allein werden sie das Problem nicht lösen, zumal Verschwörungstheoretiker und Populisten Partizipation und Beteiligung zu nutzen wissen, um ihre Agenden zu pushen und Diskussionen zu torpedieren.

Mehr Zugeständnisse beim überfälligen Umbau unserer Städte eingehen? Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass das, was heute umgesetzt wird, ohnehin häufig schwer erkämpfte und (vor dem Hintergrund der Klimakrise) schmerzhafte Kompromisse sind: Für manche Gegner erscheinen bereits Fahrradwege bereits als Instrumente totalitärer Kontrolle – da ist wenig Spielraum für Kompromisse. Darüber hinaus handelt es sich bei Planungskonflikten nicht nur häufig um (Neben-)Schauplätze grundlegenderer Auseinandersetzungen. Sie werden vielmehr häufig auch – das ist keine Verschwörungstheorie – gezielt von politischen Akteuren und Lobbygruppen geschürt, wie zuletzt u.a. die zumindest in Teilen orchestrierten Proteste gegen low traffic neighbourhoods in England gezeigt habe; Akteuren und Lobbygruppen, mit denen man aus Prinzip und der politischen Hygiene wegen keine Kompromisse eingehen sollte (und die ihrerseits häufig kein Interesse an ihnen haben).

Zu guter Letzt: Klar, es gibt misslungene Projekte (Friedrichstraße, hallo?), die der Sache nicht geholfen haben. Aber Proteste suchen sich nicht nur handwerklich schlechte Projekte aus und als Erklärung reicht das nicht aus.

Also was tun? Die gute Nachricht ist, dass die Planungsliteratur der Frage vermehrt nachgeht, Decoding the 15-Minute City Debate: Conspiracies, Backlash, and Dissent in Planning for Proximity ist zum Beispiel durchaus lesenswert. Dennoch bleiben viele Fragen offen; Fragen, die mich auch deshalb umtreiben, weil ich junge Planer und Planerinnen unterrichte, die in ihrem beruflichem Alltag von Anfeindungen betroffen sind. Was ich weiß, ist, dass die Planungsausbildung (noch) mehr tun muss, um sie darauf vorzubereiten, sich in einem zunehmend schwierigeren Umfeld zu behaupten.

 Nächste Woche beginnt das neue Semester – wish me luck!

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